Bottwartalbahn Bottwartalbahn

Relikte anderswo

Auch außerhalb des Bottwar- und Schozachtales gibt es Relikte der Bottwarbahn. Da ist zunächst einmal die Öchsle-Museumsbahn, die fast zwangsläufig die Wagen "geerbt" hat, die noch die Bundesbahn 1968 zur damaligen Öchsle-Güterverkehrsstrecke umsetzte. Solche Wechsel zwischen den vier staatlichen württembergischen Schmalspurlinien mit 75 cm Spur waren auch zuvor nicht ungewöhnlich. Auch aus heutiger Sicht ist es sinnvoll, dass die erhaltenen Fahrzeuge dort sind (oder dorthin gehen), wo sie sich in "artgerechter" Umgebung befinden, innerhalb der letzten bestehenden Sachgesamtheit des einstigen hochwertigen Systems staatliche württembergische Schmalspur, mit Gleisanlagen und Gebäuden im Lokalbahnstil Württembergs: auf der Öchslebahn.

Oben: Zwischenpufferwagen 481 (im Bottwartal von den Eisenbahner "Sechspufferwagen" genannt) präsentiert sich heute (Foto 2013) in Ochsenhausen im perfekten Zustand, wie er auf der Bottwarbahn lief. Diese Wagenserie wurde erst Ende der 1920er Jahre gebaut, jedoch nach den alten württembergischen Plänen aus der Königszeit, offensichtlich ein Zeichen für Bewährung. Der reichliche Zugang fabrikneuer Schmalspurwagen ab 1922 galt fast ausschließlich der Bottwarbahn, dort "brummte der Bär", was das Verkehrsaufkommen anbetraf.
  Foto: Wolfram Berner
Oben: 2014 haben die Öchsle-Museumsbahner ein wirkliches Sahnestück aus ihrer Werkstatt entlassen, auch wenn das Objekt auf Außenstehende unscheinbar wirken mag: Der gedeckte schmalspurige Güterwagen (Gsm) 154 entstammt der Serie von vier dieser Wagen, die 1894 zur Eröffnung der Bottwarbahn frisch aus der (Esslinger) Fabrik erschienen. Sein Fahrgestell mit den durch Lenkstangen verbundenen Lenkachsen, Bauart Klose, ist eine technische Spezialität, die es außer in der Schweiz und Bosnien nur beim System staatliche württembergische Schmalspur gab. Der 154 ist das älteste existierende Fahrzeug des württembergischen 75-cm-Systems. Seit 1964 lief auch er auf der Bottwarbahn umgebaut zum "Sechspufferwagen", wie der ganz oben gezeigte Wagen 481. Die Öchsle-Bahner haben bei der Sanierung des Wagens die 1964 angesetzten Regelspurpuffer mitsamt den tragenden schweren Metallplatten und Ständerkonstruktionen im Inneren wieder entfernt, damit nunmehr wieder ein "normaler" gedeckter Güterwagen in der Ursprungsform zu sehen ist. Das Lüfterfeld im Stil der 1930er Jahre (ein nachträglicher Umbau der Reichsbahn), am linken Wagenende, wurde allerdings als "status quo" belassen. Dafür besitzt der G 481 (im oberen Bild) noch das Lüftergitter der ursprünglichen württembergischen Bauart, das auch bei württembergischen Regelspurgüterwagen typisch war.

Oben: Besonders erfreulich ist, dass die Öchsle-Leute - auf unseren Wunsch - den Wagen wieder mit seiner angestammten Heimatbahnhof-Anschrift versehen haben - vielen Dank dafür. Keine Angst: Der Wagen wird dennoch auf dem Öchsle bleiben, dort ist er am besten aufgehoben. Ob die ganz korrekte Heimatanschrift bei Güterwagen der Bottwarbahn auf "Marbach" oder "Heilbronn Süd" lauten müsste, sei dahingestellt.

Oben: Solche Zuggarnituren fuhren auch auf der Bottwarbahn. Die Maschinen der Mallet-Type wurden 1899/1900 erstmals in Württemberg für den bogenreichen Abschnitt Beilstein/Ilsfeld - Heilbronn der Bottwarbahn durchs enge Schozachtal eingesetzt und parallel für die auch mit einigen Krümmungen gesegnete Öchslestrecke Biberach/Warthausen - Ochsenhausen. Der Personenwagen vom Typ Ci wü 99 erschien ebenfalls mit Eröffnung des Heilbronner Abschnitts der Bottwarbahn erstmals auf der Spurweite von 75 cm und ebenso gleichzeitig auch auf dem Öchsle. Zuvor hatte es diesen Typ nur bei der Altensteiger Meterspurbahn von 1891 gegeben. Der Gepäckwagen entspricht ebenfalls exakt der Bauform, wie sie auf der Bottwarbahn ab 1894 oder später lief. Die beiden hier zu sehenden Wagen entstammen aber Lieferungen für das Öchsle. Am aufgesattelten Regelspur-Güterwagen können die Besucher der Öchslebahn heute sehen, wie unter anderem auch im Bottwartal der Güterverkehr nach den Maßstäben der Jahrhundertwende rationell und flexibel bewältigt wurde. Der hier sichtbare Güterwagen selbst stammt aus den 1950er Jahren.

Oben: Puh, eine Diesellok? Die Bottwarbahn war keine schenkelschlagende Folkloreveranstaltung, sondern in erster Linie ein alltäglicher Verkehrsbetrieb, bei dem sich die Eisenbahner meist stark einbrachten, um den Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden, so weit dies die enge Leine der Bundesbahndirektion und die fehlende Unterstützung der Politik zuließ. Mit der Diesellok von 1964, der V 51 903, konnte der Restbetrieb ein Mindestmaß mehr wirtschaftlich durchgeführt werden. Die beiden anderen Exemplare dieser Loks sorgten bei der Öchslebahn bis 1983 für rationellen Güterverkehr, der die Straßen und Anwohner täglich um eine Frachtmenge von 200 Tonnen entlastete. 2009 holte die Öchslebahn AG die einstige Bottwartallok von ihrem langjährigen "Ausflug" aus Spanien zurück. Weil die Drehgestelle komplett wieder auf die Spurweite von 75 cm umgebaut werden müssen, was sehr teuer ist, fährt die Lok bisher noch nicht wieder. Die Diesellok steht für die moderne, wenn auch nur recht kurze Epoche des Systems staatliche Schmalspur in Baden-Württemberg und ist somit technisches Kulturgut.

An der formalen Verfügbarkeit dieser Lok scheiterte einst die Erhaltung der Bottwarbahn: Das Land hatte zwar eine Bezuschussung dieser Maschinen für die 75-cm-Spur erwogen, jedoch nicht für die mit gutem Verkehrsaufkommen ausgelasteten Strecken Marbach - Heilbronn und Warthausen - Ochsenhausen, denn was gut frequentiert ist, hat kein Anrecht auf Zuschüsse auf Steuergeld. Für die damals in wirtschaftsarmer Gegend liegende Buchauer Bahn Schussenried - Buchau - Riedlingen wurde ein Zuschuss für zwei Dieselloks vorgesehen, aber nicht verwirklicht, weil die Gegend noch kein Fördergebiet war. 1967 beauftragte das Land die Südwestdeutsche Eisenbahngesellschaft (SWEG), eine Übernahme der Bottwarbahn in die Hand dieses landeseigenen Privatbahnbetreibers vorzubereiten (was die Rettung gewesen wäre). In ihrer fiktiven Jahresrechnung für die Bottwarbahn hatte die SWEG vorgesehen, die Diesellok anzumieten. Als auch die Hauptverwaltung Frankfurt der Bundesbahn signalisierte, dass eine Übernahme der Strecke um eine Mark möglich sei, die Übereinkunft also vor der Tür stand, behauptete Bundesbahnoberrat Zahn von der Bahndirektion Stuttgart unter Bezug auf eine angebliche Aussage des Maschinenamtes Heilbronn, die Schmalspurdiesellok könne auf Regelspur umgestellt werden und "kommt in ihrer Leistung einer [regelspurigen Rangierlok] V 60 gleich".

Eine solche Feststellung war Unsinn: Weder waren die Schmalspurloks technisch für den Umbau vorgesehen (er wurde später bei gleichartigen Maschinen zwar vorgenommen, aber mit unverhältnismäßig viel Aufwand für ein ungünstiges Ergebnis), noch stimmte der Leistungsvergleich, noch hatte die Bundesbahn Interesse an solch einem speziellen Vehikel als Einzelstück. Mit Sicherheit wusste man das auch beim Maschinenamt, und auch Zahn als langjähriger Experte. Aber beim Innenministerium gab es niemand, der fachkundig genug war, um der Aussage des leitenden Eisenbahners zu widersprechen. Doch was nützte der SWEG eine Bahnstrecke ohne Lok? So wurden die Verhandlungen abgebrochen, und die Bundesbahn konnte an die endgültige Auflassung der Bottwarbahn gehen. Hätte das Land eine der drei Maschinen bezuschusst, insbesondere die für Buchau, die alsbald (1969) dort überflüssig wurde, was 1967 schon absehbar war, weil die Bundesbahn bereits 1966 auch die Stilllegung jener Strecke beantragt hatte, so hätte das Land "seine" Lok rechtzeitig auf die Bottwarbahn überstellen können. 

Der Bundesbahner Zahn war für die Zweigstrecken der Direktion Stuttgart während der gesamten 1960er Jahre zuständig. Aus seinem Munde kamen keine Aussagen, die Gründe, Tatsachen oder Perspektiven zur Erhaltung der regionalen Strecken geliefert hätten, auch wenn es solche zur Genüge gab und auf diese von anderer Seite hingewiesen wurde. Hingegen wusste Zahn stets Argumente einzubringen, die aus seiner Sicht gegen Aktivitäten zur Erhaltung der einzelnen Linien sprachen. Er wusste zu jeder Lösung das "passende Problem".

Oben: Auch das ist sozusagen ein Wagen der Bottwarbahn. Der regelspurige Spezialtransportwagen besitzt fest montierte Schienen für die Spurweiten 750 und 1000 Millimeter (das auf dem Bild sichtbare, auf dem Wagen liegende Gleisjoch muss man sich wegdenken). Von diesem Wagen gab es mehrere Exemplare auch bei der Reichs- und Bundesbahndirektion Stuttgart. Einer - das vorliegende Fahrzeug - war zumindest über längere Zeit in Heilbronn Süd stationiert. Nur dort gab es die Übergaberampe, mit der Schmalspurfahrzeuge ohne Kran direkt auf diesen Wagen gerollt werden konnten. Zuletzt war der Wagen in Warthausen beheimatet. Die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (www.dgeg.de) hat das seltene Stück in den 1980er Jahren gerettet und inzwischen an den Öchslebahnverein abgegeben.


Oben: Nicht das Haus von Rocky Tocky, sondern die Leiche des Personenwagens Ci 108, der 1901 für die Zabergäubahn gebaut wurde und sich später auf dem Öchsle und der Bottwarbahn verdingte. Die badischen Eisenbahner im Ausbesserungswerk Offenburg der Bundesbahn waren umtriebig: Als der Unterhalt von Dampfloks zurückging, sattelten sie nicht nur auf die Verschrottung von Fahrzeugen um und "kümmerten" sich in dieser Hinsicht auch fleißig um überzählige Wagen der Bottwarbahn. Sie verscherbelten auch die hölzernen Aufbauten als Gartenhäuser im Oberrheintal weiter, denn Holz hat bekanntlich keinen Schrottwert. Der gezeigte Kandidat, der seine Laufbahn 1962 beendete, ist inzwischen allerdings vollends in den Schmalspurhimmel eingegangen. Foto: Slg. Knupfer

Oben: Etwas besser sieht es mit diesem Kasten eines Di wü 10/11 aus, der als Anglerhütte dient. Von diesem Typ wurden insgesamt rund 40 Stück zwischen 1911 und 1924 gebaut, und zwar ausschließlich für die Bottwarbahn und die Zabergäubahn. Da der Wagen keinen Stahlrahmen mehr hat, auf dem Wagennummer oder Fabrikschild lesbar wären, und man schlecht einfach dort den Anstrich abschleifen kann, wo die Wagennummer auflackiert war, lässt sich nicht sagen, um welches Exemplar genau es sich handelt. Verbaut und verbohrt an einem schlecht zugänglichen Standort lohnt dieses Relikt allerdings keine Bergung mehr. Gönnen wir den Angelfreunden ihre Behausung.

Oben: Scheinbar in recht gutem Zustand präsentiert sich - trotz des fehlenden Fahrgestells und Rahmens - der Aufbau des Di 378, von der Maschinenfabrik Esslingen 1914 gefertigt und vermutlich zeitlebens auf der Bottwarbahn (und allenfalls im Zabergäu) eingesetzt. Die Fenster lassen sich gut bewegen, eine Sitzbank hat darin auch überdauert. Allerdings ...

... hat der Besitzer die komplette Stirnwand auf der anderen Seite herausgenommen, um seinen Bienen ein fürstliches "Hotel" zu schaffen. Insoweit würde sich dieses Wagenrelikt freilich hervorragend eignen, als sogar barrierefrei begehbares Objekt in ein kleines Museum über die Bottwarbahn einzuziehen - wenn man eines einrichtete (und wenn ihn der Besitzer hergäbe ...).

Oben: Weniger gut in Schuss ist der Aufbau dieses Seelenverkäufers, den die Bahnmeisterei Heilbronn 1967 an einen Gewerbebetrieb abtrat, der ihn als Aufenthaltsbude nutzte. Schon in den 1970er Jahren versuchten Eisenbahnfreunde (vergeblich), den damals noch mit der Wagennummer 740 versehenen Kasten zur musealen Verwendung zu übernehmen, für die geplanten Museumszüge im Jagsttal. Erst unter einem späteren und sehr aufgeschlossenen Besitzer ergab sich 2007 die Gelegenheit, den Torso aus der ihn umgebenden "grünen Hölle" zu retten, rechtzeitig vor dem endgültigen Zerfall oder Einmauerung in ein größeres Gebäude. Der 740 entstand anno 1924 in Esslingen unter der damaligen Wagennummer Stuttgart 411 der Reichsbahn und lief zumindest über Jahrzehnte im Zabergäu, die allerletzten Jahre im Bottwartal. Somit handelt es sich um den letztgebauten Schmalspurpersonenwagen des württembergischen Systems, gleichzeitig um den letzten überhaupt nach württembergischen Plänen geschaffenen Personenwagen.

Mit dem Altensteiger Personenwagen Stuttgart 21 von 1891 - heute bei der Öchslebahn - ist gleichzeitig auch der erste und älteste Personenwagen des Gesamtsystems staatliche Schmalspur in Württemberg erhalten. Dass diese Wagen fast 40 Jahre lang nach den fast gleichen Plänen unverändert gebaut wurden, zeigt die Ausgereiftheit der Konstruktion, allerdings auch die Sparsamkeit der Bahndirektion Stuttgart. - Im gleichen Umfeld des 740 landete um 1967 auch der Kasten eines gedeckten Güterwagens der Bottwarbahn. Dieser brannte aber 2005 ab, seine Reste wurden beseitigt. Seine Nummer ist nicht bekannt. | Foto: Heiner Koepff
        
Oben: Für ein Museum über die Bottwarbahn wären - in Privatbesitz - Kleinrelikte verfügbar, die direkt von der Bottwarbahn stammen oder vom System staatliche württembergische Lokalbahnen. Die Problematik der Anforderungen an einen Museumsraum und seinen Betrieb sind bekannt: Frostsichere und klimageschützte, diebstahlsichere Aufbewahrung, didaktische Präsentation, Betriebskosten und persönliche fachkundige Betreuung. Phantasie ist erlaubt, vielleicht finden sich unerwartete Lösungen. Es gibt keinen Zeitdruck ... - Hinweis: Die gezeigten Teile sind seit über fünf Jahrzehnten in Familienbesitz, sie wurden nicht an Fahrzeugen abgebaut, die einer Privatbahn oder Museumsbahn gehören. Zum Teil wurden sie seinerzeit direkt an der Bottwarbahn in deren Schlussphase geborgen, mit Zustimmung der Eisenbahner. Die Sammlung umfasst noch weitere Teile als die gezeigten.

Oben: Für ihre Jagsttalbahn Möckmühl - Dörzbach übernahm die Südwestdeutsche Eisenbahngesellschaft (SWEG) 1967 vier Personenwagen der Bottwarbahn. Einer davon ist Wagen M-D 1, der vormalige BCi 126 der Zabergäubahn, 1896 gebaut und zumindest zum Schluss im Bottwartal eingesetzt. Der Schwesterwagen M-D 2 alias 132 entstand ebenfalls 1896 für die Buchauer Schmalspurbahn des staatlichen württembergischen Systems. Später lief er lange Zeit im Zabergäu und abschließend etliche Jahre im Bottwartal. Die Wagen dieses Typs BCi wü 94 waren eine herausragende Konstruktion, speziell für den Tourismus auf der Bottwarbahn entwickelt und erstmals 1894 gebaut. 1899 bildeten diese Wagen fast ausschließlich auch die Grundausstattung der Öchslebahn, vielleicht im Hinblick auf den Tourismusverkehr zum Kloster Ochsenhausen. Die enorme Wagenlänge und die großen Fenster, die es bis dahin nur bei Schnellzugwagen gab, sollten gehobenes Publikum für die schmalspurigen Lokalbahnen einnehmen, ebenso die Existenz auch der zweiten Wagenklasse statt der üblicherweise nur angebotenen Dritten. Schließlich bildete die Bottwarbahn den Prototyp der staatlichen Lokal- und Schmalspurbahnen für Württemberg. Bis 1899 bestanden alle Personenzüge der Bottwarbahn nur aus diesen Wagen - es gab zunächst keine anderen. Das Foto zeigt den M-D 1 im Jahr 2015 in Dörzbach.
 
Oben: Eine besondere Spezialität der Personenwagen des staatlichen württembergischen Schmalspursystems waren die über die Stirnwand hinaus verlängerten Seitenwände. Sie gaben einerseits Stabilität, was für die filigraneren Aufbauten der Wagen mit Zwillingsfenstern sinnvoll war, und sie bildeten einen Windschutz für Fahrgäste, die sich auf der offenen Bühne aufhielten. Schließlich wirkten die Wagen durch die vorgezogene Seitenwand optisch länger und eleganter, als dies der Fall gewesen wäre, wenn man die relativ großen Endbühnen auf voller Länge wahrgenommen hätte. Genau dies - ein Aussehen ähnlich wie von Straßenbahn- oder vielmehr Pferdebahnwagen - war bis dahin traditionell bei Schmalspur-Personenwagen anderer Bauart der Fall. Offensichtlich wollten die Württembergischen Staatsbahnen auch gestalterisch eine herausragende Erscheinung präsentieren, um die Entscheidungsträger gegenüber dem württembergischen Lokalbahnsystem - mit der wirtschaftlichen und rationellen Schmalspur des 75-cm-Systems als Grundlage - günstig zu stimmen.

Ein wichtiges Detail der Wagen der Bauart BCi waren zudem die Sitzplätze draußen auf der Bühne. Eine hoch- oder abklappbare Sitzbank sorgte für bequemes "Freiluftvergnügen". Die Staatsbahn kam damit dem Wunsch des Schwäbischen Albvereins nach, der bereits 1890 im Hinblick auf die kommenden Lokalbahnen Wünsche bezüglich der touristenfreundlichen Gestaltung der Wagen geäußert hatte, in Gestalt der Einführung von offenen Sommerwagen. Solche Wagen wären aber außerhalb der Sommersaison untätig herumgestanden. Mit den Wagen der hier gezeigten Bauart BCi vereinigte die Staatsbahn den Wunsch nach lichtdurchfluteten Fahrzeugen mit gutem Durchblick - nicht durch Fensterstreben unterbrochen - und dem möglichen Aufenthalt im Freien während der Fahrt mit dem Vorzug eines Wagens, der ganzjährig nutzbar war. Die beiden Hochkantbilder zeigen die Bühne am Wagen M-D 1 im heutigen Zustand sowie die rekonstruierte Außensitzbank am Altensteiger Personenwagen 21 der Öchslebahn.

Oben: Auch das war an den Personenwagen des staatlichen württembergischen Schmalspursystems neu und anders: Üblicherweise durfte man sich während der Fahrt formal nicht auf den offenen Bühnen aufhalten, diese dienten nur als Stauraum während des Ein- und Aussteigens. Bei den Schmalspurwagen hingegen gehörte diese Fläche mit zum offiziellen Platzangebot an Steh- und - wie wir gesehen haben - auch Sitzplätzen. Die Anschriften am Wagen M-D 1 zeigen unter der Originalanschrift über die Stehplätze - aus der Reichs- oder Bundesbahnzeit - darunter die unterschiedlichen Philosophien der Bundes- und der Privatbahn: Bei ersterer war der Aufenthalt bei geöffneten Gittern verboten, bei letzterer derselbe bei geschlossener "Plattform" gestattet - was im letztlich das selbe war. Links der Hahn der Notbremsleitung, deren Fortsetzung auf das Wagendach und von dort in das Wageninnere hier erkennbar fehlt - diese Leitungen wurden zur Reichsbahnzeit nachträglich eingebaut und daher "offen" verlegt. - Hinweis: Die Aufschrift zeigte den Bedeutungswandel des Ausdrucks Plattform. Zur Länderzeit wurden unter "Plattformwagen" ausschließlich völlig flache Güterwagen verstanden. In Württemberg lautete die Bezeichnung für die offenen Einstiegsbereiche der Personenwagen "Bühnen."
 
Oben: Weitere spannende Details am Wagen M-D 1: Links die Originalbeschilderung aus Bundes- oder vielmehr Reichsbahnzeiten, die der Wagen schon auf der Bottwar- und Zabergäubahn trug. Neben der auflackierten Zweite-Klasse-Ziffer sind die vier verspachtelten Bohrungen erkennbar, welche vormals - bis zur Abschaffung der dritten Wagenklasse 1956 - die emaillierten Klassenzifferschilder "3" trugen. Wagen M-D 1 ist der einzige, der noch diese Art von erhabener Beschilderung zeigt. Rechts: Die für die Wagen des staatlichen württembergischen Lokalbahnsystems typischen gegossenen Schlusssignalhalter mit Konushalter und die für die staatlichen württembergischen Schmalspurpersonenwagen ebenfalls charakteristische, zum Zweck des filigraneren Aussehens durchbrochene Dachstütze.
 
Oben: Auch die Einstellschieber für die Dampfheizung mit den beiden Richtungen "warm" und "kalt" sind am Wagen noch vorhanden und beschriftet. Das Zugpersonal konnte so je nach Witterung einstellen, wie stark die Dampfheizkörper im Wagen durchströmt wurden. Im heißen Sommer war die "Kalt"-Funktion allerdings nicht von Nutzen ... Rechts: Zugchef Dieter Wolpert auf Bahnhof Beilstein mit einem speziellen geformten Werkzeug, das zum An- und Abkuppeln dienen sollte, dafür jedoch wegen Umständlichkeit nicht benutzt wurde, aber offenbar für die Heizungseinstellung von Nutzen war, ohne sich bücken zu müssen.
 
Oben: Ein absolutes Kleinod bildet die Originalausstattung des Wagens M-D 1 im Innenraum, die praktisch unverändert aus der Zeit des Königs von Württemberg stammt. Obwohl es den zweiten gleichartigen Wagen im Jagsttal gibt, zeigt sich nur der M-D 1 noch in dieser unveränderten Bauform. Foto rechts: Und so hat der Verein Öchsle Schmalspurbahn sozusagen buchstäblich aus dem Nichts den Innenraum eines ähnlichen Wagens des Württemberger-Systems - eines "kurzen" der Bauart Ci wü 99 - rekonstruiert oder vielmehr fast komplett neu gebaut, denn außer Fragmenten des alten Wagenkastens ohne jede Inneneinrichtung war keine Substanz mehr da.
 
Oben: Unter der Decke finden sich im M-D 1 in situ noch die originalen Klassenziffern "3" aus der Reichsbahnzeit, ein heute mehr als seltenes Relikt. Auch das einstige Zweite-Klasse-Abteil, das dahinter sichtbar ist, wurde im Laufe der Jahre zur dritten Klasse herabgestuft. Das rechte Bild zeigt ein weiteres Charakteristikum der württembergischen Personenwagen: die auf einem Stahlring als Grundträger aufgebauten Holzlattensitzbänke der dritten und zweiten Klasse.
 
Oben: Und noch ein Detail, das zumindest an den Schmalspurwagen württembergischer Staatsbahnbauart nur noch am M-D 1 überliefert ist: die Halterplatte für die dienstliche Zusatzbeleuchtung durch Karbidleuchten. Bis zum Aufkommen der elektrischen Beleuchtung, die frühestens im Laufe der 1920er Jahre eingeführt wurde, erfolgte die künstliche Behellung der württembergischen Personenwagen mit Rüböl, was nur schwache Helligkeit verbreitete und eher eine Art Notbeleuchtung bildete. Zudem war die Ausstattung der Wagen damit sparsam, zwei Lampen saßen im Wageninneren und je eine in der Stirnwand, von wo aus sie einerseits etwas den Innenraum und andererseits vor allem die Bühne zu beleuchten hatte. Für die Prüfung der Fahrkarten - zumindest in "schwierigen" Fällen - genügten diese Funzeln nicht. Daher verfügte das Zugpersonal über Karbidlampen, die unter Nutzung zweier Langlöcher in der Lampe auf die Halterplatte im Wagen aufgesteckt werden konnten, wo zu diesem Zweck zwei Schrauben herausragten. - Die gezeigte Lampe befindet sich seit Jahrzehnten in Familienbesitz, sie stammt nicht aus einem der gezeigten oder ähnlichen Wagen.


Oben: Außer dem Wagen M-D 1 gibt es bei der Jagsttalbahn den erwähnten gleichartigen Wagen M-D 2, vormals 132 der Zabergäu-/Bottwarbahn. 1988 musste die Jagsttalbahn aus technischen Gründen ihren Betrieb einstellen. Entscheidungen über eine Sanierung der Gleise und Wiederaufnahme des Betriebes wurden nicht verwirklicht. Es ergab sich ein über 20-jähriger Interimszustand, in dem seitens der SWEG keine Unterhalt der Fahrzeuge mehr stattfand, aber wegen der offenen Entscheidungen über Rechts- und Eigentumsverhältnisse auch keine helfenden Aktivitäten Dritter stattfinden konnten. In dieser Zeit erlitten die historischen württembergischen Personenwagen, die bis 1988 voll betriebsfähig gewesen waren, zum Teil schwerste Schäden durch eindringendes Wasser. Der Verein Jagsttalbahnfreunde, der sich mit großer Beharrlichkeit um eine Bewahrung der Jagsttalbahn kümmert, konnte daher zunächst schließlich nur die Wagen so abdecken, dass sich die Schäden nicht noch verschlimmerten. -> www.jagsttalbahn.de

Oben: Die Wasserschäden im Wagen M-D 2. Die Innenausstattung dieses Wagens wurde in den 1950er Jahren durch die Bundesbahn modernisiert, unter anderem mit geschweißten Stahlrohrgestellen bei den Hutablagen. Somit bezeugen beide bei der Jagsttalbahn vorhandenen Wagen des grundsätzlich gleichen Typs BCi wü 94 dennoch unterschiedliche Erscheinungsbilder, bedingt durch die Zeitläufe von über einem halben Jahrhundert, in dem diese Wagen bei der staatlichen Bahn im Einsatz standen. Beide Innenraumstandards sind Kinder der jeweiligen Epoche und daher beide im überlieferten Zustand wert, erhalten und behutsam restauriert zu werden.

Oben: Wagen 409, der vorvorletzte (1924) gebaute Personenwagen des staatlichen württembergischen Lokalbahnsystems, rollte über Jahrzehnte durchs Zabergäu und zum Schluss durchs Bottwartal. Er ist das einzige vollständig überlieferte Exemplar der 1911 eingeführten Vierte-Klasse-Bauart bei den Schmalspurstrecken der KWStE (Di wü 10/11). 1967 gelangte er als Wagen M-D 3 ebenfalls an die Jagsttalbahn. Auch er litt seit 1988 dramatisch unter den Wetterschäden. Heute (2015) steht auch er in Dörzbach (Foto).

Oben: So sah die Wagenbauart Di wü 10/11 aus, als sie die Esslinger Werkhallen verließ. Die Autoren des "Esslinger Buches" von 1924 hatten auch nicht immer recht: Sie verwechselten diese Bauart mit der 1891 gelieferten Vorgängerversion Ci wü 91 für Altensteig. 1892 wurden gar keine solchen Wagen gebaut.

Oben: Auch der M-D 3 besitzt die bei den württembergischen Schmalspurwagen schon ab 1891 eingeführten so genannten Vereinslenkachsen. Sie haben nichts mit einem Eisenbahnfreundeverein zu tun, sondern sind benannt nach dem damaligen Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen, der diese Bauart zur Anwendung empfahl. Diese Lenkachsen passen sich sowohl dem Bogeneinlauf wie auch dem Übergang in die Gerade verschleißarm an und kommen ohne aufwändige Gestängemechanismen aus. Für Personenwagen war dies ein geeignetes Mittel. Für die Güterwagen, die wesentlich schwerer belastet werden und daher auch drei Achsen benötigten statt zwei, wählte die KWStE deshalb lieber das Lenkachsensystem der Bauart Klose.
 
Oben: Die für das hochwertige Fahrzeugsystem staatliche württembergische Schmalspur sehr charakteristischen Drehtüren der Bauart Klose, die weltweit offenbar nur hier angewandt wurden. Die Konstruktion war raffiniert, da keine aufklappenden Türflügel weder nach außen ragten noch innen auf der Bühne Platz versperrten. Die bis Bauchhöhe flächig hochgezogenen Blechtüren bildeten zudem einen guten Schutz der Fahrgäste, die sich auf der Bühne während der Fahrt aufhielten. Rechtes Bild: Alle Wagen des staatlichen Lokalbahn-Schmalspursystems verfügten über eine Handbremse, was den hochwertigen Charakter weiter unterstreicht, denn üblicher Standard war sonst, dass nur etwa gut ein Drittel aller Wagen Handbremsen besaß. Bei den Personenwagen war die Bremskurbel einseitig auf der Nische der Bühne untergebracht. Damit sich Fahrgäste nicht an der Gewindespindel verschmutzten, war diese mit einem Gehäuse geschützt. Dieses ließ sich zur Seite klappen (im Foto unterhalb der Bildmitte), damit die Wagendienstleute die Spindel schmieren konnten.

Oben: Neben der Angabe des Bremsgewichtes sehen wir am M-D 3 noch die Anschrift "Heimatbahnhof" im Schrifttyp der Bundesbahn. Die Mitarbeiter der SWEG haben 1967 "Dörzbach" darüber schabloniert. Trüge man diese Lackschicht ab, käme darunter die weitere Bundesbahnanschrift mit "Marbach" oder "Beilstein" zum Vorschein.

Oben: Auch der M-D 3 erhielt bei der Bundesbahn die modernisierte Inneneinrichtung anstatt der originalen Sitzmöbel der vierten Klasse aus den 1910er oder den armen 1920er Jahren: dem niedrigen Fahrpreis entsprechend spartanisch, in Gestalt von nur zwei im rechten Winkel angeordneten Dielen, ohne jede Art von Ergonomie. Dass die Bottwarbahn (und die Zabergäubahn) genau von dieser sehr einfachen Bauart in den Jahren 1922/24 nicht weniger als 28 Stück nachgeliefert bekamen, weist auf grundlegende Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur im Unterland hin: Trotz der wirtschaftlich schwierigen Zeiten wuchs die Industrie in Heilbronn (und Ludwigsburg) beständig, nicht zuletzt im Umfeld des Bahnhofs Heilbronn Süd. Dass diese Vierte-Klasse-Wagen nicht die vorhandenen "Drittklässler" ersetzten, sondern zusätzlich beschafft wurden, weist auf ein in der Summe stark ansteigendes Aufkommen an Berufspendlern auf den beiden Schmalspurstrecken im Unterland hin. Es ist zu folgern, dass die Industrie für die Bevölkerung im Bottwar- und Schozachtal bessere Einkommensmöglichkeiten bot als die vormalige Tätigkeit als Weingärtner, Bauer oder Kleinhandwerker. Nicht zuletzt war die Industrie interessiert, weitere Arbeitskräfte zu bekommen. Die beiden staatlichen Schmalspurbahnen im Oberland, nach Ochsenhausen und Buchau, nahmen an dieser Entwicklung nicht teil. Daher fuhr die Wagenbauart Di wü 10/11 auch nur im Unterland. Die private Jagsttalbahn konnte von der Veränderung gar nicht profitieren: Bei ihr übernahmen früh Omnibusse den Löwenanteil des Verkehrs. Dennoch wird die vormalige geschichtlich maßgebliche Rolle der Personenwagenbauarten, die heute bei der Jagsttalbahn vorhanden sind, für das staatliche württembergische System deutlich.  

Oben: Ein Pkw gilt mit über 50 Jahren wohl kaum als modern. Ist das bei diesem Personenwagen der Fall? Landläufige Interessenten werden vielleicht nichts von diesem "historisch unattraktiven" Fahrzeug wissen wollen. Dabei ist seine Geschichte mindestens so bemerkenswert wie die der Länderbahnwagen. Dieser Stahlvierachser, Bauart KB4yg 61, ist 1961/62 vom Ausbesserungswerk Limburg der Bundesbahn hergestellt worden. Er kam direkt zur Bottwartalbahn und lief dort als "Stuttgart 501". Der zuständige Wagendezernent betonte die Bedeutung der Bottwarbahn und die Rolle der Modernisierung. An dem Wagen seien alte Stahlprofile ausgeschiedener Länderbahnwagen der Schmalspur verwendet worden. Der Wagen wurde offiziell ausnahmslos als "modernisiert" bezeichnet, gemäß dem damaligen Umbauprogramm der Bundebahn für regelspurige Länderbahnwagen, die auf alte Fahrgestelle neue moderne Aufbauten bekamen. Auch dieser Wagen kam 1967 zur Jagsttalbahn als M-D 4. Er trug bei der Bundesbahn stets nur die übliche grüne Ganzlackierung. Das heutige Farbkleid in rot-beige erhielt er in den 1980er Jahren im Jagsttal.

Tatsächlich geht aus den Unterlagen des Innenministeriums Stuttgart hervor, dass weder die Bundesbahn noch das Land jemals die Absicht hatten, den Personenverkehr auf einer der staatlichen Schmalspurbahnen zu erhalten oder gar durch Modernisierung zu fördern. Im Gegenteil: Die Bundesbahn strebte an, bis 1964 auf allen ihren verbliebenen Schmalspurlinien zumindest den Reisezugbetrieb bereits aufzulassen, schon weil die Länderbahnwagen mit ihren Holzaufbauten nicht mehr den Vorschriften zum Kollisionsschutz (an Bahnübergängen) entsprachen. Diese Absicht widersprach der Formulierung der Fahrzeugdezernenten, die auf den angeblichen Willen zur Modernisierung hinwiesen, aber diese mussten ihre Aktivitäten irgendwie begründen. Vermutlich hat es mit der Entstehung des "Stuttgart 501" etwas anderes auf sich: Auf der Zabergäubahn war der Personenverkehr ab 1954 bis auf ein Berufszugpaar eingestellt und auf die Straße verlagert worden. Auch dieses sollte vollends wegfallen, obwohl der lange Wagenzug auf der Schiene wirtschaftlicher und attraktiver war als mehrere hintereinander fahrende überfüllte Busse. Nur der Güterzugverkehr sollte vorläufig - mit zwei Dieselloks - beibehalten werden.

1959 verunglückte ein Omnibus aus dem Zabergäu schwerst, der sonntags Schienenersatzverkehr fuhr. Die Bevölkerung forderte nun die Modernisierung der Schmalspurbahn ins Zabergäu und die Wiederaufnahme des vollen Personenverkehrs, anstatt dem Busverkehr. Das Land Baden-Württemberg stellte nun neben der Förderung für zwei Dieselloks auch die "Modernisierung" von fünf Personenwagen in Aussicht. Da seinerzeit im Berufsverkehr zehn zweiachsige Personenwagen benötigt wurden und ein moderner Vierachser wie der Stuttgart 501 vom Volumen her etwa zwei alte Zweiachser ersetzt, entspricht die Zahl von fünf neuen Wagen dieser Art dem damals zu bewältigenden Verkehrsaufkommen. 1961 ergab sich eine neue Sachlage: Die Einwohner im Zabergäu verlangten nun eine Umstellung der Schmalspurbahn auf Regelspur, da sie glaubten, dies ließe sich durch einfaches Umspuren - wie man es aus dem Zweiten Weltkrieg kannte - bewerkstelligen. Die Regionalpolitik schloss sich diesem Votum einhellig an. Die Bundesbahn musste nun mit dem Land über die Umspurung der Strecke verhandeln. Das Thema "modernisierte Schmalspur" war ad acta gelegt.

Es spricht die Logik dafür, dass unterdessen das Bahnwerk Limburg den Prototyp für die "modernisierten" Wagen gefertigt hatte: eben den Stuttgart 501. Doch mit dem konnte man sich unter den neuen Umständen im Zabergäu nicht mehr sehen lassen, dies wäre sicherlich als Affront und Wortbruch gegenüber dem inzwischen vereinbarten Projekt "Regelspur" gewertet worden. Der nun sozusagen bestimmungslose Wagen war zu schade, um fabrikneu verschrottet zu werden - so schickte man ihn offensichtlich ins Bottwartal. Damit ist auch erklärt, warum das Exemplar ein Einzelstück blieb - wenn es das Ziel einer Modernisierung nicht gab, brauchte man auch keine weiteren modernen Wagen. Dessen ungeachtet liebten die Fahrgäste im Bottwartal das eleganten, sanft und bequem fahrende Gefährt  sehr - ein auffällige Rolle in der Chronik der staatlichen Schmalspur in Württemberg, sozusagen ein (offiziell ungeliebtes) Politikum auf Rädern.

Oben: De facto finden sich an dem Wagen keine altbrauchbar verwendeten Stahlprofile. Dies gilt für die Abmessungen wie für das völlige Fehlen angeschuhter Stellen oder alter Bohrungen. Es handelt sich bei dem Wagen um einen kompletten Neubau, mitsamt den Radsätzen. Für die Bundesbahn wäre es nicht angenehm gewesen, dies zuzugeben, weil die Interessenvertreter der Industrie in der Politik gegenüber der Bundesbahn darüber wachten, dass Aufträge für Neubauten an die Privatindustrie vergeben wurden. Die Bundesbahn musste allerdings die ihr von der Politik zur Beschäftigung auferlegten Eisenbahner aus den Ostgebieten, die sie nicht brauchte, auch mit Arbeit versorgen.

Oben: Auch die Drehgestelle des M-D 4 sind völlige Neubauten ohne Verwendung von Altteilen. Es handelt sich um eine Sonderbauform des regelspurigen Minden-Deutz-Drehgestells der Bundesbahn. Mit diesem Fahrwerk hätte der Wagen auch mit Tempo 60 bis 80 fahren können - wenn man so schnelle Zugfahrzeuge gehabt hätte.

Oben: Die Inneneinrichtung des M-D 4 mit den klassischen Kunstledersitzen des Umbauprogramms der Bundesbahn der 1950er Jahre - schon für sich ein technisch-kulturelles Denkmal.

 
Oben: Wenn man schon im Jagsttal ist: Dort gibt es unter den Wagen, die 1901 ab Werk direkt als Grundausstattung an die Jagstalbahn gingen, diese Musterstücke vergangener Kleinbahnzeiten: einen originalen Personenwagen der Jagsttalbahn, im Prinzip so komplett, dass man ihn sofort aufs Gleis stellen könnte (wenn ihn der Besitzer hergibt), sowie auch den dazugehörigen, einstmals kombinierten Gepäck- und Postwagen. Auffallend ist die geringe, aber für private Schmalspurbahnen nicht unübliche  Breite des originalen Jagsttalwagentyps von 2,10 Meter und der Sitzteiler von 2 + 1 Sitzen (gegenüber den ganz andersartigen staatlichen Württembergern mit 2,60 Meter Breite und Sitzteiler 2 + 2, also einem um ein Viertel größeren Sitzplatzvolumen pro Wagenlänge). Vermutlich hatte die Waggonfabrik Görlitz fertige Pläne auf Lager, und der sehr kostenbewusste Betreiber übenahm diese.

Theoretisch könnten auf altbrauchbaren Fahrgestellen von Güterwagen der Jagsttalbahn, deren es etliche gleichartige hat, auch "neue" Personenwagen nach den alten Originalplänen der echten Jagsttalwagen von 1901 entstehen, gemäß dem Trick, den schon die Bundesbahn erfolgreich anwandte. Auf der Grundlage des gleichen Personenwagentyps fuhr sogar ein Salonwagen durchs Jagsttal - dies könnte heute ein Knüller sein, nicht nur bei Eisenbahnfreunden, auch für die Damen- und Mädchenwelt. Der Verein Jagsttalbahnfreunde verfügt zudem über eine eigens für diese Bahnstrecke entworfene Dampflok (Lok 24). Somit wäre die Grundlage für einen originalen und kompletten Jagsttalzug der Jahrhundertwende bis zum Stil der 1950er Jahre im Ansatz gegeben. Einen Salonwagen besaß hingegen die staatliche Schmalspur in Württemberg nie, und irgendeine original für die Bottwarbahn gebaute Lok  - ob die Klose-Type von 1894 oder die württembergische VI K von 1923/24 - gibt es auch nicht mehr. So gesehen hat die Jagsttalbahn heute die besseren Karten. -> www.jagsttalbahn.de


Oben | Schmalspur global! Kein württembergischer Wagen, aber einer mit technikgeschichtlichem Bezug dazu: Dieser dreiachsige Güterwagen stammt vom bosnischen Schmalspurnetz mit 760-mm-Spur, dem einst größten schmalspurigen Netz in Europa. Das staatliche 750-mm-Netz in Württemberg enstand etwas später, doch die dieser Zeit erhielt das bosnische Netz die zweite, nunmehr professionelle Fahrzeuggeneration. Die Hauptmaße der Schmalspurgüterwagen des staatlichen Systems in Württemberg waren praktisch die gleichen wie jener bei der Bosnabahn, der Achsstand exakt gleich. Die Württemberger waren allerdings vom Aufbau her erheblich breiter, während in Bosnien das Lichtraumprofil auf die teils vielen Tunnel Rücksicht nehmen musste. Das gezeigte Fahrzeug gelangte im Zweiten Weltkrieg zu einem Industriebetrieb nach Vorarlberg, von wo wir es anstatt der Verschrottung übernehmen konnten. Es gibt die Überlegung, den Wagen auf einem Stück Originaltrasse der Bottwarbahn aufzustellen. Dies ist aber noch nicht entschieden. - Hinweis: Der Wagen steht nicht mehr am gezeigten Ort.

 
Oben | Der konstruktive Schöpfer der extrem bogengängigen Schmalspurloks und -wagen in Württemberg und Bosnien war Adolf Klose, der sie ursprünglich ab 1880 für die Zahnradabschnitte der Appenzellerbahn (Schweiz) entwarf und für die Anwendungen in den anderen Ländern weiterentwickelte. Die Funktion des berühmten Klose-Fahrwerks mit den seitliche verschiebbaren Mittelachsen, die über ein Lenkgestänge die äußeren Achsen radial einstellen und somit für verschleißfreien Bogenlauf führen, bildet in gewisser Weise den Vorgänger der lenkbaren Achse im Kraftfahrzeug. Funktional waren die württembergischen und bosnischen Wagen exakt gleich, wenn auch die Ausführung im Detail anders ist, logisch, wenn der eine Hersteller in Esslingen saß und der andere in Österreich-Ungarn oder in Sarajevo, wo die Hauptwerkstatt der Bosnabahn teils selbst Wagen baute. Die Schwaben konnten das auch: Ein kleiner Teil der Wagen für das württembergische staatliche Schmalspurnetz entstand in der Wagenhauptwerkstatt Cannstatt der KWStE.

 
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