Bottwartalbahn Bottwartalbahn

Fahrbarer Untersatz - der Rollschemelbetrieb


Beilstein 1967: Ein Güterzug mit aufgeschemelten Güterwagen der Regelspur im hinteren Zugteil - gut erkennbar ist der Höhenunterschied zwischen den Schmalspurwagen vorne und den "huckepack" transportierten Wagen hinten. Foto: Eugen Werner

Von Anfang an voll dabei

Was das System staatliche württembergische Lokalbahnen nicht alleine, aber maßgeblich kennzeichnete, war die generelle Einführung des so genannten Rollschemelbetriebes. Damit ist der Transport regelspuriger Güterwagen auf schmalspurigen Untersetzern gemeint. In der Bahnbranche ist dafür eher der Fachausdruck Rollbock verbreitet. Sowohl die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen (KWStE), die Reichsbahn wie die Bundesbahn verwendeten jedoch in Württemberg ausschließlich, amtlich wie mündlich, die Bezeichnung Rollschemel. Ein anderer Ausdruck war hierzulande (bei der staatlichen Bahn und ihren Mitarbeitern) unbekannt. Daher soll es auch auf dieser Internetseite beim historisch korrekten Ausdruck Rollschemel bleiben.


Rollschemel der frühen Bauart mit innen angeordneten Gabeln sowie separater Spindel außen an den Traversen. Bevor in der Schemelgrube der Regelspurwagen über diesen Rollschemel fahren könnte, müssten die Gabeln flach abgeklappt werden

Der Rollschemel ist ein kleiner (aber höchst massiver und schwerer) zweiachsiger schmalspuriger "Wagen" - eher eine Art Rollengestell -, auf den je eine Wagenachse (Radsatz) des regelspurigen Güterwagens gesetzt wird. Auch vierachsige Güterwagen konnten übergehen, hier brauchte es dann unter jeder Regelspurachse einen Rollschemel, also insgesamt vier Stück. Damit dies beim engen Achsabstand der Wagendrehgestelle der Regelspur funktionierte, mussten die entsprechenden Rollschemel mit der "kurzen" Seite gegeneinander gestellt werden. Nicht nur deshalb wurden die Rollschemel jeweils paarweise bezeichnet, eingesetzt und revisioniert.

Die Fahrzeuge

Ein Rollschemel besteht aus dem zweiachsigen Fahrgestell, in das eine massive Traverse einbezogen ist. Die Breite der Traverse entspricht etwa der Spurweite der Regelspur. Die Traverse besitzt an ihren äußeren Enden je eine massive Auflagerschale aus Stahlguss, in welcher je ein Rad des Regelspurwagens aufsitzt. Die Traverse ist durch einen senkrechten mittigen Bolzen drehbar gelagert, so dass sich die Traverse bei der Durchfahrt durch Gleisbögen um wenige Grad in der Waagerechten drehen kann. Das genügt, damit auch engste Gleisbögen anstandslos durchfahren werden können. Der Regelspurwagen richtet sich also auf den Rollschemeln geometrisch auf die Bogenfahrt ein, er bildet eine Sehne zwischen den Rollschemeln.


Der Höhenabstand zwischen der Schienenoberkante (Gleis) und der Lauffläche des aufgesattelten Regelspur-Wagens beträgt nur knapp 30 Zentimeter - der Schwerpunkt der huckepack transportierten Güterwagen liegt also trotz dieser Transportart recht niedrig, daher der sichere Halt auf dem Rollschemel. Gut ist ersichtlich, dass die Wagenräder mit ihren Spurkränzen auf den Nasen der Traverse aufliegen, nicht etwa mit der Wagenachse in den Gabeln

Auf der Oberseite des Rollschemels befindet sich je ein Paar stählerner Gabeln, die flachgelegt oder senkrecht hochgeklappt werden können. Letzteres ist die Betriebsstellung unter dem aufgesattelten Güterwagen. Die Gabeln können mit Bolzen über der Achse des Regelspurwagens arretiert werden oder mit Spindeln gegen diese Achse gepresst werden. Im letzteren Fall sind die Gabeln auf der Traverse relativ weit außen sitzend befestigt, so dass sie direkt auf der Innenseite des Güterwagenrades angreifen. Dies ist die jüngere Bauart der Rollschemel, wie sie zumindest zur Bundesbahnzeit beschafft wurde. Die Ausführung mit Gabeln auf der oberen Rahmenplatte des Rollschemels, jedoch ebenfalls auf der Traverse angesetzt, innen gegen den Drehpunkt, ist die ursprüngliche Bauart der Staatsbahn. Beide Typen haben sich offenbar bewährt.

Die Anlagen

Das Auf- und Absatteln der regelspurigen Güterwagen geschieht in der so genannten (Roll-) Schemelgrube. Diese befanden sich in Marbach wie in Heilbronn Süd, anfangs auch auf allen Unterwegsstationen. Anfänglich glaubte man bei der KWStE, der Rollschemeltransport würde von den Frachtkunden nur für wenige Güterarten gewählt, bei denen man ein Umladen vermeiden wollte. Auch wurde anfänglich eine besondere, relativ hohe zusätzliche Rollschemelgebühr erhoben. Der ursprüngliche Bestand an Rollschemeln (1894 für Marbach - Beilstein) betrug deshalb auch nur zwei Paare. Dieser Bestand musste - auch auf den anderen Schmalspurstrecken in Württemberg - sprunghaft erhöht werden, weil die Güterversender den Rollschemel schon bald enorm bevorzugten. Dennnoch blieb auch der Bedarf an (gedeckten) schmalspurigen Güterwagen noch so hoch, dass noch 1929 letzte weitere Exemplare für die Bottwarbahn beschafft werden mussten. Die Rollschemelgruben auf den Unterwegsstationen wurden in den 1920er Jahren entfernt und ihre Bauteile vermutlich dazu verwendet, die bestehenden Schemelgruben in Marbach und Heilbronn zu verlängern.


Schemelgrube Heilbronn Süd: Seitlich die abgestrebten Wangen aus Stahl oder Beton, die oben die Regelspurschienen tragen. Diese sind nach vorne auf rund 30 cm um etwa 4 cm abgerampt - hier findet der eigentliche Aufsattelvorgang statt. Damit etwa unbeabsichtigt abrollende Regelspurwagen nicht auf dem Erdboden aufsitzen, sind die Regelspurschienen auf dem Schmalspurniveau noch etwa zwei Meter fortgesetzt. Diese Detailausführung war nicht zwingend und je nach Bauart der Grube verschieden. Foto (1969): H.-J. Spieth

Die Schemelgrube besteht aus zwei mehr oder weniger langen kräftigen, senkrecht aufgestellten Stahlblechtafeln, auf denen je eine Regelspurschiene verläuft. Das Schmalspurgleis liegt in der Grube versenkt. Weil die Regelspurschienen hier untereinander keine Querverbindung haben können, sind die Wangen der Schemelgrube nach außen mit Streben abgestützt. Der Höhenunterschied zwischen Regelspur- und Schmalspurgleis entspricht fast genau der Aufsattelhöhe des Regelspurrades auf der Rollbocktraverse, gemessen über Schienenoberkante. Das sind etwa 30 cm. Der eigentliche Trick liegt im vertikalen Verlauf der Regelspurschiene auf der Grube: Gegen das schmalspurseitige Ende der Grube senkt sich die Regelspurschiene kurzzeitig schräg in Gestalt einer Rampe ab, nur um etwa 40 Millimeter (was man heute an den Gruben in Warthausen noch nachmessen kann). Dieser kleine Unterschied genügt, dass sich die Regelspurwagen von der Regelspurschiene lösen und auf dem Rollschemel aufsitzen.

Der Ablauf

Der Aufsattelvorgang geschieht denkbar einfach - aber nicht so, wie man es etwa von den meisten heutigen Nachbildungen der Modellbahn in verschiedenen Baugrößen kennt, sondern ganz anders:
1. Die Regelspurwagen werden vom Regelspurfahrzeug - oder von der Schmalspurlok per Drahtseil - auf die Schemelgrube gezogen. Dort steht darunter bereits die nötige Anzahl Rollschemel bereit.
2. Der Rangierer schlüpft unter die Regelspurwagen - er bückt sich dazu seitlich unter die Wagen - und stellt die bisher flach liegenden Gabeln der Rollschemel senkrecht auf. Diese umgreifen nun (lose) die Regelspur-Wagenachse. Mehr geschieht vorläufig nicht. Noch stehen die Regelspurwagen mit ihren Rädern auf dem Regelspurgleis der Grube.
3. Die Schmalspurlok zieht die aufgesattelten Wagen in den Schmalspurbereich, von der Schemelgrube herunter. Zwischen dem Vorgang des Aufstellens der Gabeln und dem eigentlichen Aufsatteln wirken die Gabeln nur als mechanischer Mitnehmer für den Rollschemel, der unter dem noch nicht auf ihm sitzenden Regelspurwagen lose mitläuft. Im Augenblick des Übergangs auf die "niedrige" Ebene des Regelspurgleises der Grube senken sich die Räder des Regelspurwagens in die Aufnahmetaschen der Traverse am Rollschemel. Jetzt (erst) sitzt somit der Regelspurwagen auf dem Rollschemel auf.
4. Nun spindelt der Rangierer die Gabeln des Rollschemels um um die Achsen der Regelspurwagen fest.
Dies war der eigentliche mechanische Aufsattelvorgang. Bei geübtem Personal geht er sehr flink. Das Verfahren war zwar etwas umständlich, aber nicht schwierig.


Das heutige Rollschemeldenkmal in Beilstein - vom Verfasser und der Öchsle-Museumsbahn unter Uwe Jöstingmeier und der Stadt Beilstein schon 1994 zu "100 Jahre Bottwartalbahn" aufgestellt - zeigt als Prinzipdarstellung einen aufgesetzten Regelspur-Radsatz (ohne Güterwagen!)

Wichtig zu wissen ist, dass die Abläufe beim Vorbild nichts mit der technischen Ausführung zu tun haben, wie sie etwa der Modellbahnhersteller Bemo - zwangsläufig - bei seiner Rollschemelausrüstung in Baugröße HOe vorgenommen hat. Dort sind die Gabeln der Rollschemel fest aufgestellt und haben verschiedene Längen. Die Achsen der Vollspurwagen müssen hier also über die erste Gabelzinke hinweg"schweben", während beim Vorbild die Gabel erst unter der Achse hochgeklappt wird, ihre Höhe also wesentlich niedriger sein kann. Aus diesem Grund ist die Schemelgrube beim Vorbild relativ niedrig, aber die Modell-Schemelgrube von Bemo wesentlich höher. Wer die Bemo-Anlage optisch vorbildgerecht verwenden will, muss sie also in der Höhe absägen. Auf diese Art ist auch der Höhenunterschied zwischen dem Regelspur- und dem Schmalspur-Gleisbereich wesentlich einfacher auszugleichen (eben wie beim Vorbild). Oft war beim Vorbild das Schmalspurgleis in der Grube gegenüber dem Umgebungsniveau leicht abgesenkt, so dass das Regelspurgleis, das auf die Grube führt, kaum merklich gegenüber der Umgebung anstieg (dieser Fall ist heute z.B. im Bahnhof Jagsthausen der Jagsttalbahn zu bewundern).


Die Grube Heilbronn Süd in der Seitenansicht: Hier wird die geringe Bauhöhe der Grube insgesamt sowie der geringe Höhenunterschied im Bereich der eigentlichen Aufsattelrampe (die Schräge rechts der Achse des linken Güterwagens) besonders deutlich. Unter dem rechten Wagen sind die Gabeln des Rollschemels bereits (oder vielmehr noch) aufgestellt, dieser läuft jedoch nur (noch) lose mit, ohne Belastung durch den Güterwagen. Weil die Wagen - sie bringen Zuckerrüben nach Heilbronn - gerade abgesattelt werden, also von links nach rechts bewegt werden, muss man sich die beschriebenen Vorgänge hier in umgekehrter Reihung denken. Foto (1966): Kreisbildstelle Ludwigsburg

Zurück zum Vorbild:

5. Nun kommt allerdings der Vorgang des Anschlusses an die Druckluft-Bremsleitung. Die Luftleitungen der Regelspurwagen werden dabei als Durchgangsleitung verwendet. Da die Schmalspurwagen das gleiche Bremssystem haben wie die Regelspur - 1891/94 war das eine mutige Entscheidung, denn man war von der generellen Luftbremsung der Regelspur noch weit entfernt -, kann die Luftleitung des letzten Schmalspurwagens vor den aufgesattelten Regelspurwagen direkt zu diesen durchgehen. Die Bremsanlage der Regelspurwagen wird durch den an jedem Wagen vorhandenen Umschalter ausgeschaltet, weil sie auf der Schmalspur nutzlos ist. Was gebremst und angeschlossen werden muss, ist der Rollschemel. Somit braucht es vor und zwischen jedem Regelspurwagen eine Verzweigungskupplung für die Luftleitung! Diese sperrigen Gebilde werden an den Übergangsbahnhöfen (hier waren es Marbach und Heilbronn Süd) vorgehalten. Beim Rangieren unterwegs braucht man sie teils auch, so dass im Dienstwagen der Schmalspur - dem Dreipufferwagen - auch eine Anzahl mitgeführt wird. Die Verzweigungskupplung führt die Bremsluft gleichermaßen dem Regelspurwagen wie dem Rollschemel zu. Jeder Rollschemel wird von der Stirnseite des Regelspurwagens aus versorgt. Die Rollschemel werden also untereinander unter dem Regelspurwagen nicht verbunden.
6. Nach dem Verbinden aller Luftleitungen erfolgt wie bei einem Regelspurzug auch eine volle Bremsprobe. Ist sie erfolgreich, steht der Abfahrt des Schmalspur-Güterzuges mit den aufgeschemelten Wagen nichts mehr im Wege. - Das Absatteln geschieht natürlich in umgekehrter Reihenfolge.

Rollschemelbetrieb im Zug

Grundsätzlich werden die aufgesattelten Regelspurwagen ganz normal über ihre regelspurigen Kupplungen und Puffer verbunden. Bei sehr engen Gleisradien der Schmalspur, wie in Anschlussgleisen, muss eventuell die Kupplungsspindel etwas gelockert werden - wie bei sehr engen Regelspurradien auch. Bei relativ langen Regelspurwagen, etwa über 12 Meter Länge - die genauen Maße sind in den amtlichen Rollschemelvorschriften enthalten - würde allerdings der Überhang der Regelspurpuffer im engen Bogen zu groß. Es bestünde die Gefahr, dass sich die Puffer verhaken und sich die Wagen gegenseitig aus dem Gleis drücken. Daher werden die Wagen in diesem Fall indirekt gekuppelt: über ein langes massives Stahlrohr - die Steifkupplung oder einfach "Steifkuppel". Diese wird direkt am Rollschemel in dessen Kupplungsmaul eingehängt. Sind solche Wagen im Zug, erfordert das besonders rücksichtsvolles Fahren und Rangieren, vor allem beim Schieben der Wagengruppe. Denn der statisch-dynamische Kraftfluss verläuft nun nicht waagerecht von Wagen zu Wagen, sondern in diesem Fall vom Regelspurwagen hinunter über den Rollschemel auf die Steifkuppel und von dort wieder hinauf zum nächsten Regelspurwagen.

Der Beilsteiner Pufferwagen 481: heute im Museumsbestand der Öchsle-Bahn

Das Ankuppeln der aufgesattelten Regelspurwagen erfolgte über Jahrzehnte mit den erwähnten Steifkuppeln direkt an den nächsten Schmalspurwagen. Das Hantieren mit den schweren Kupplungsstangen war mühsam und nicht ungefährlich. Daher führte die Bundesbahn ab 1964 die vom Personal so genannten Dreipufferwagen ein: An einen gedeckten Schmalspur-Güterwagen wurden massive Stahlplatten geschweißt und dieser zusätzlich mit den Puffern und Kupplungen der Regelspur ausgestattet. Bei der Bottwarbahn betraf dies die G-Wagen 154 und 481. So konnten die Regelspurwagen direkt ohne und Zwischenstange an den Schmalspurzug gekuppelt werden. Die Übertragung der Zug- und Druckkräfte war auf diese Art auch wesentlich günstiger und schonender. Die Schmalspurwagen und das Personal wurden bei Rangierfehlern (zu dichtes oder hartes Auffahren) vor den hohen Regelspurpuffern geschützt. Das betraf auch die ab 1964 eingesetzten Dieselloks mit empfindlichen konstruktiven Teilen in ihren Blechaufbauten. Damit die statisch-dynamische Lastabtragung im Schmalspurwagen nicht dessen Wagenkasten verbog, bekam dieser in seinem Innenraum massive diagonale Streben von der Stirnwand-Pufferplatte hinunter zum Wagenrahmen. Durch diese sperrigen Einbauten waren die Zwischenwagen nicht mehr als reguläre Stückgutwagen verwendbar. Der Einsatz als rein interne Bahndienstwagen bot sich somit an, zumal für den Rollschemelbetrieb Luftkupplungen, Steifkuppel, Ölkanne und andere Hilfsmittel ständig mitgeführt werden mussten, ohne den Gepäckwagen damit zu belasten und zu verschmutzen. Dennoch wurden die Pufferwagen von der Bezeichnungssystematik her nicht umgezeichnet, sondern blieben formal "normale" Güterwagen. Solche "Schmalspur-Eskapaden" berührten die Dezernenten bei der Bundesbahn-Hauptverwaltung in Frankfurt/Main offensichtlich wenig.


Gut zu sehen ist die zweifache Kupplung am Schmalspurwagen links - auf seiner Rahmenhöhe - sowie die regelspurige Kupplungseinrichtung erhöht darüber, damit diese zum hochgesetzten Regelspurwagen (rechts) passt. Auffällig auch die Verzweigung der Luftleitungen: vom Schmalspurwagen einerseits zum Rollschemel, andererseits hinauf zum Regelspurwagen, damit durch dessen Leitung die Luft den nächsten Wagen erreicht und auf diesem Weg auch die weiteren Rollschemel

Dennoch hat der Rollschemelbetrieb bei guter Gleislage und umsichtigem Verhalten der Mitarbeiter und Beteiligten recht problemlos funktioniert. Der Bestand an Rollschemeln betrug für alle staatlichen Schmalspurstrecken Württembergs zusammen in den 1960er Jahren über 160 Stück. Somit konnten gleichzeitig auf allen Strecken etwa 80 Regelspurwagen befördert werden - der Löwenanteil davon betraf die Bottwarbahn, man denke vor allem an den Zuckerrübenverkehr. Selbstverständlich befand sich jeweils ein kleiner Teil der Rollschemel in Untersuchung oder Reparatur. Die laufenden Fristen hatten die Betriebswerke der Schmalspur zu absolvieren (hier also Beilstein), die größeren Arbeiten wie bei allem Wagenmaterial üblich die Eisenbahn-Ausbesserungswerke (für die Bottwarbahn war das meist das AW Stuttgart-Bad Cannstatt, zeitweise auch Aalen). Der Aufwand für die zusätzliche Beschaffung und den Unterhalt der Rollschemel, die enorm belastet werden, war hoch. Man muss aber bedenken, dass dieser Zustand nie so geplant war: Die ursprüngliche Absicht der Planer war ja, den Rollschemeltransport  eigentlich nur in geringem Umfang  a u c h  und zusätzlich zum Betrieb mit den Schmalspur-Güterwagen zu ermöglichen. Hätte man geahnt, wie erfolgreich und leistungsfähig die Schmalspurbahnen sich entwickeln würden, hätte man sie beizeiten - wenn Geld da gewesen wäre - schrittweise weitgehend auf Regelspur umgestellt, wie man Straßen auch nach und nach ausbaut.

Bei der Bottwarbahn waren sämtliche Gleise mit aufgesattelten Regelspurwagen befahrbar, mit Ausnahme des Güterschuppengleises Ilsfeld (und natürlich der Gleise in die Umladehallen und Lokschuppen).

Die Unterschiede

Das Unterbringen einer Luftbremsanlage in den Rollschemeln war wegen des höchst beengten Platzes konstruktiv sehr anspruchsvoll. Daher verfügten die allerersten Rollschemel auch bei der KWStE über die seilbetriebene Heberleinbremse, deren Prinzip man aus Sachsen übernahm. Die Seilbremse wurde aber in Württemberg nicht von der Lok aus bedient, sondern manuell von einem Mitarbeiter auf dem letzten Schmalspurwagen. Wie es aussieht, war die private (kommunale) Kreisbahn Osterode - Kreiensen (KOK) dann kurz vor der Jahrhundertwende der erste Auftraggeber von Rollschemeln (bei der Maschinenfabrik Esslingen), die luftgebremste Hilfsfahrzeuge wünschte. Zwar wendete die KOK die Saugluftbremse an, dies war konstruktiv zur Westinghouse-Luftdruckbremse für Württemberg aber kein so großer Sprung mehr. Um 1903 ging auch die KWStE auf luftgebremste Rollschemel über. Die früheren Exemplare wurden offenbar nachgerüstet, die allerersten Prototypen hingegen verschrottet. Damit die Bremszylinder und Luftbehälter untergebracht werden konnten, mussten die Rollschemel asymmetrisch gestaltet und verlängert werden.


Oben: Rollschemel der frühen Bauart mit innenliegenden Gabeln: Diese dienen in erster Linie nur als Mitnehmer beim Vorgang des Auf- und Absattelns. Ein Sicherungsbolzen oben über den Gabeln sichert zusätzlich die Wagenachse gegen Aufsteigen des Wagens bei etwaigen starken Ruckbewegungen


Aufschlussreich ist der Blick auf die Innenseite des Regelspurrades (Radrücken): Dort wird durch eine Spannpratze der Radkörper auf der Traverse festgezurrt. Dies bildet die eigentliche Arretierung der Räder auf dem Rollschemel.

Stets besaßen die Rollschemel in Württemberg und bei der Bundesbahn so genannte einlösige Bremsen (Bremsventile). Das bedeutet, eine einmal eingeleitete Bremswirkung konnte zwar nach Bedarf verstärkt, aber nicht dosiert zurückgenommen werden. Bei zu stark eingeleiteter Bremsung drohte der Zug also im Gefälle zum ungeplanten Stillstand zu kommen. Ein Lösen der Bremse bewirkte, dass die Bremswirkung zunächst wieder völlig aufgehoben wurde, bis nach Verlauf etlicher Dutzend Sekunden der Bremsdruck in den Hilfsbehältern wieder aufgebaut war und erneut gebremst werden konnte. In der Zwischenzeit wäre der Zug also kurzzeitig ungebremst losgelaufen. Um so schwieriger wäre das erneute schonende Abbremsen geworden. Somit gehörte viel Fingerspitzengefühl, genaueste Kenntnis des Strecken-Höhenprofils und Erfahrung zum Umgang mit dem luftgebremsten Rollschemelbetrieb. Auch den Eisenbahnern auf der Bottwarbahn ging dies aber selbstverständlich in Fleisch und Blut über.


Ein Bundesbahn-Rollschemel der Baujahre ab etwa 1958: Hier sitzen die Gabeln außen direkt vor den Radscheiben und können ihrerseits um die Wagenachse festgespindelt werden. Offensichtlich ist diese Bauart einfacher zu bedienen als die ältere.

Das Verfahren mit gebremsten Rollschemeln wurde von den staatlichen Schmalspurbahnen Württembergs schon immer angewandt, weil alle Strecken mehr oder weniger starke Neigungen besaßen. Schmalspurstrecken anderer Betreiber, etwa die private Jagsttalbahn, verzichteten auf die aufwändigen Bremsanlagen in den Rollschemeln und behalfen sich - vor allem wenn die Strecke nur flach geneigt oder fast eben war, wie im Jagsttal - nur mit zwischengeschalteten schmalspurigen Bremsballastwagen. Je ein solcher Wagen übernahm für eine festgelegte Anzahl von Regelspurwagen die Bremsarbeit. Die Luftkupplung erfolgte ganz normal von Wagen zu Wagen, ohne Verzweigungsleitungen. Umständlich war hieran das zusätzliche Vorhalten und Einstellen der Bremswagen mitten im Zug. Der Werkstattaufwand (Lohnkosten) war jedoch wesentlich geringer, weil anstatt etwa einem Dutzend Rollschemeln nur ein Schmalspur-Bremswagen zu unterhalten war. Für steile Strecken - wie die Bottwarbahn - war ein solches Verfahren aber kaum geeignet und sicherheitstechnisch stets etwas bedenklich, denn die aufgesattelten Regelspurwagen als solche konnten nicht gebremst werden.


Hier die Gabel-Spindel am Bundesbahn-Rollschemel aus deutlicherer Sicht - jeder Interessent kann dies am Denkmals-Rollschemel in Beilstein selbst besichtigen

Die Bedeutung

Die eigentliche Leistung und Errungenschaft des Systems staatliche Schmalspur Württembergs liegt darin, dass der Rollschemelbetrieb schon bei der Planung der Strecken voll und durchgängig berücksichtigt war. Dies unterschied damals - und noch für etliche Jahre - das Württemberger-System von anderen (früheren) Schmalspurstrecken und -systemen. So hatte Sachsen auf seinen 75-cm-Strecken den Rollschemel zwar schon gleich ab 1881 eingeführt, aber nur auf einigen wenigen Strecken - bei weitem nicht bei allen - und jeweils nur auf kurzen Streckenabschnitten zu Gunsten bestimmter Güterkunden. Ein Teil der Strecken war vom Umgrenzungsprofil her gar nicht für die Ausweitung des Rollschemelbetriebes gedacht. Dass Württemberg konsequent den Lichtraum der Infrastruktur für den Huckepack-Betrieb mit den Regelspurwagen auslegte, war deshalb äußerst vorausschauend. Die Nutzer und Anlieger des Württemberger-Systems bekamen deshalb die Nutzungsmöglichkeit und Leistungsfähigkeit der Regelspur zu den Kosten der Schmalspur!  Das zeigte sich schon dem Laien an der geringen Breite des Ober- und Unterbaues, was große Summen an Tiefbaukosten und Materialeinsatz sparte. Allerdings wurden alle Ingenieurbauten, bei denen es auf das breite Lichtraumprofil der Regelspur ankam, für diese ausgelegt, so vor allem die Murrbrücke in Murr und die anderen Brücken mit Tragwerk und Geländern.

Wichtig ist das Bewusstsein, dass der Rollschemelbetrieb trotz Anwendung der Schmalspur Umladen des Frachtgutes  e r s p a r t e : nicht nur im Übergangsbahnhof, sondern spätestens an seinem Ziel- oder Ausgangsort der Schmalspurbahn, wenn dort ein direkter Gleisanschluss zum Kunde vorhanden war. Dieses Argument war seinerzeit mit maßgeblich für den Bau von Schmalspurstrecken. Es traf auch voll zu: An Schmalspurbahnen entstanden tendenziell, teils statistisch klar nachzuweisen vgl Sachsen), mehr private Güterladegleise als an vollspurigen Bahnen, schlicht weil der Bau solcher billiger, wirtschaftlicher und meist auch örtlich einfacher war und die Fabrikeinrichtungen flexibler erschließen konnte. Der klassische Kostenbringer, das Fuhrwerk zwischen Gewerbeeinrichtung und Bahnhof, fiel damit weg - ein klarer Vorteil für die Schmalspurbahn. Auch entlang der Bottwarbahn lässt sich insgesamt eine beachtliche hohe Zahl von Privatgleisen-/nutzern nachweisen. Da der Nordteil der Bottwarbahn - im Schozachtal - sowieso nur dank der Anwendung der Schmalspur sinnvoll und wirtschaftlich - d.h. überhaupt - errichtet werden konnte, worauf alleine dort vier Schmalspur-Gleisanschlüsse entfielen, zeigt sich der damals im technisch-wirtschaftlichen Systemverbund erreichte große Gesamtnutzen der Schmalspur im Vergleich zur Vollspur. Dies war also eine wohlüberlegte, schon bis 1894 enorm weiterentwickelte Anwendungsform. Es war - wenn man die Ausgangslage und die Fakten verständig würdigt - kein "Versuchskaninchen" und gewiss nicht - wie es bis heute gerne kolportiert wird - ein Fehler.


Für die 1890er Jahre eine wegweisende Innovation: Die flächendeckende Einführung des bald auch auch luftgebremsten Rollschemelbetriebs auf den Schmalspurbahnen, nicht nur in Württemberg. Zum Vergleich: Diese Transportart ist weitaus energieeffizienter als etwa der heutige Versand von kompletten Lkw-Aufliegern auf Eisenbahn-Taschenwagen. Dort ist das tote Gewicht des zusätzlichen Transportbehelfs - ein kompletter Eisenbahnwagen zusätzlich zum Lkw-Anhänger - wesentlich größer als das Zusatzgewicht zweier Rollschemel (je 1,5 t) zu 10 t Gewicht des Güterwagens. So gesehen war der Rollschemelbetrieb fortschrittlicher. - Foto 1982 in Ochsenhausen (Knupfer)

Das Beispiel der Staatsbahn Württembergs strahlte offensichtlich auch auf andere Anwendungsfälle aus: So musste die private Härtsfeldbahn Aalen - Neresheim (www.hmb-ev.de) ihren Tunnel (und Brücken) ebenfalls auf den Einsatz von aufgesattelten Regelspurwagen auslegen, obwohl sie davon auf dem Aalener Abschnitt erst Jahrzehnte später Gebrauch machte (und dies dann deshalb zum Glück auch konnte). Ähnlich ist es im Fall der privaten Jagsttalbahn, die ihre Jagstbrücken ebenfalls mit genügender (Regelspur-) Breite ausstatten musste. Die staatliche Konzession schrieb die durchgehende Tauglichkeit der Strecke für den Rollschemelbetrieb vor. Die sparsamen privaten Bahnplaner (d. h. mit Geldrendite suchenden Finanzkonsortien im Hintergrund) hätten sich angesichts des geringen Übergangsverkehrs diesen Mehraufwand vermutlich gerne erspart. Der Lohn der staatlichen Auflage war jedoch, dass die Jagsttalbahn dann ab den 1930er Jahren voll auf den Rollschemelbetrieb setzen konnte. Ohne diese Eigenschaft hätte sie vermutlich schon um 1950 die Segel streichen müssen und nicht bis 1988 durchgehalten. (www.jagsttalbahn.de)

Insgesamt ist die Technikgeschichte der Rollschemel ein spannendes Beispiel für clevere technisch-ökonomische Anwendungen bei sparsamen Verhältnissen. Erfinder des Rollschemels war der Konstrukteur Paul Langbein, der seinerseits vom Rollbock sprach. Auf der Öchsle-Museumsbahn lassen sich heute noch alle Elemente des Rollschemelbetriebs besichtigen, wenn auch nicht aktiv in Betrieb: die Schemelgruben in Warthausen - sogar mit einem aufgesattelten Vierachser -, in Ochsenhausen ein bis zwei aufgeschemelte Güterwagen der Regelspur, schließlich dort oder im Museumszug der Pufferwagen 481 ehemals Bottwarbahn.


Für die kleinen Revisionen und Reparaturen der Rollschemel war die Betriebswerkstatt Beilstein verantwortlich. Es war also regelmäßig der Fall, dass "leere" Rollschemel am Schluss der Güterzüge nach Beilstein rollten. Für die Hauptuntersuchungen, alle sechs bis acht Jahre, verlud Beilstein die Rollschemel auf regelspurige Güterwagen, wie hier zu sehen. Dann fuhr ein Schmalspurfahrzeug (Rollschemel) auf einem Regelspurfahrzeug (Güterwagen) auf einem Schmalspurfahrzeug (Rollschemel) ...  Foto: Slg. Kümmerlen

 
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